09.11.2022
Ein Interview des TERRANUS Online-Magazins mit Sabine Hindrichs.
Ein Interview des TERRANUS Online-Magazins mit Sabine Hindrichs.
Sabine Hindrichs ist Fachbuchautorin und arbeitet als freiberufliche Dozentin für Pflegefachthemen in der Langzeitpflege. Sie ist unabhängige Pflegesachverständige und Pflegefachberaterin, Verfahrenspflegerin Werdenfelser Weg, Pflegedienstleitung, Betriebswirtin und Qualitätsauditorin im Gesundheitswesen sowie gerontopsychiatrische Fachkraft und Wundtherapeutin.
Redaktion: Was ist aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung, die im Zuge des neuen Personalbemessungsverfahrens auf die stationären Pflegeeinrichtungen zukommt?
Das sind für mich im Wesentlichen zwei große Herausforderungen:
Die eine betrifft die Ausbildung: Die Ausbildung der benötigten Mitarbeiter für das Qualifikationsniveau QN 3 (einjährige Pflegehelferausbildung) gestaltet sich sehr schwierig. In den Einrichtungen gibt es derzeit zu wenige Mitarbeiter mit diesem Qualitätsniveau, auch wird aktuell keine bundesweit einheitliche Ausbildung durch Pflegeschulen oder Bildungsträger angeboten.
Dazu sehe ich Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung der Vorbehaltsaufgaben, die im Pflege-Berufe-Gesetz geregelt sind. Diese Aufgaben, also z.B. die Erstellung der Maßnahmenplanung oder koordinierende Aufgaben, dürfen nur von Pflegefachpersonen mit Qualifikationsniveau 4 durchgeführt werden.
Pflegefachpersonen sollen die Aufgaben übernehmen, die ihrer Qualifikation entsprechen. Körperbezogene Tätigkeiten werden je nach Pflegegrad nur noch von Assistenzkräften geleistet. Dieser neue kompetenzbasierte Personaleinsatz sowie der künftige Qualifikationsmix wird eine Reorganisation der Arbeitsabläufe nach sich ziehen. In der Praxis bedeutet das weitreichende Veränderungen in den Abläufen und Prozessen der Wohnbereiche – analog der ambulanten Tourenplanung.
Redaktion: Wie sollten sich die Akteure darauf vorbereiten? Was wären die ersten Schritte?
Wichtig ist vor allem, dass sich die Einrichtungen schon jetzt mit dem Thema auseinandersetzen, nur so können sie sich in Ruhe darauf vorbereiten.
Dabei hilft es, eine ToDo-Liste aufzustellen, mit folgenden Punkten:
Für alle Einrichtungen ist die Erstellung eines Projektplans absolut empfehlenswert. So schaffen Sie Transparenz für alle Mitarbeiter – eine dringende und wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung in die Praxis!
Redaktion: Wie sieht die Arbeitsorganisation in einem Wohnbereich in zwei Jahren aus? Was ändert sich zu heute?
Die stationäre Touren- bzw. Ablaufplanung wird künftig die Schaltzentrale des Wohnbereiches sein. Hier werden alle Prozesse der direkten und indirekten Pflege geplant und gesteuert – idealerweise digital.
Für viele Wohnbereiche bedeutet dies eine absolute Neuausrichtung: In Hinblick auf die verschiedenen Qualifikationsniveaus müssen sie ihre bisherigen Prozesse überdenken und neue Prozesse implementieren. Neben der Neugestaltung der Arbeitsprozesse müssen auch die bestehenden Stellenbeschreibungen für die Mitarbeiter analog des zugeordneten Qualifikationsniveaus angepasst werden. Hier sind die Einrichtungsleitungen gefordert: Denn Change-Management und Personalentwicklung sind eine klare Führungsaufgabe!
Redaktion: Benötigen wir mit der Einführung der Personalbemessung insgesamt weniger Fachkräfte?
Das hängt stark von der individuellen Bewohnerstruktur der Einrichtungen ab. Deshalb lässt sich das pauschal nicht beantworten. Das neue Personalbemessungsverfahren wurde auf Grundlage des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes durch Prof. Rothgang entwickelt und basiert auf der Bewohnerstruktur bzw. dem Pflegebedarf der Bewohner. Je höher der Pflegegradmix sich darstellt, desto höher ist somit auch die Pflegeintensität. Daraus resultiert ein entsprechender Personalschlüssel mit heimindividuellem Qualifikationsniveau.
Entsprechend der Selbständigkeit bzw. der Einschränkungen der Selbständigkeit erhält die pflegebedürftige Person ihren Pflegegrad und damit wird der personelle Aufwand und das erforderliche Qualifikationsniveau.
Daher muss es heißen: Je höher der Pflegegrad- bzw. Case-Mix, desto höher sind die Anforderungen an das Qualifikationsniveau.
Redaktion: Welche neue Rolle kommt auf die Fachkräfte zu? Wie können diese darauf vorbereitet werden?
Die Kernkompetenz bzw. die Rolle von Pflegefachpersonen und die Ihnen zugeordneten Vorbehaltsaufgaben sind im Pflege-Berufe-Gesetz klar formuliert:
Das neue Personalbemessungsverfahren basiert auf dieser gesetzlichen Festlegung und stellt damit ausdrücklich die Steuerung des Pflegeprozesses in den Fokus der Tätigkeit von Pflegefachpersonen.
Daraus resultieren zwei Tätigkeitsbereiche:
Darüber hinaus ist das Pflegegradmanagement eine weitere zentrale Aufgabe der Pflegefachperson.
Das Gelingen komplexer Veränderungsprozesse dieser Art hängt ganz wesentlich vom Verhalten der Führungskräfte ab. Sie müssen die Mitarbeitenden mitnehmen, sie eng begleiten und frühzeitig in die Neuerungen einbeziehen – eine anspruchsvolle und komplexe Führungsaufgabe!
Redaktion: Besteht mit der Einführung der stationären Tourenplanung nicht die Gefahr der Rückkehr zur Funktionspflege?
Nein, ganz im Gegenteil. Mit der konsequenten und durchgehenden Anwendung des Pflegeprozesses und einer kompetenzbasierten Einsatzplanung, erhält jeder Bewohner die individuell geplante Hilfestellung durch die Mitarbeiter, die für die jeweiligen Maßnahmen qualifiziert sind. Im Ergebnis geht es darum, dass die Pflegefachpersonen die Aufgaben übernehmen, die ihrer Qualifikation entsprechen.
Die Ablauf- und Tourenplanung muss so gestaltet werden, dass eine Mitarbeiterkontinuität durchgängig möglich ist. Dabei wird die praktische Umsetzung der Integration von geplanten Maßnahmen in die Tourenplanung die Herausforderung sein.
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